Herzlich Willkommen auf dem Hohenzollern-Klage-Wiki
"Die Klagen der Hohenzollern - eine Dokumentation"
des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V.
Warum dieses Wiki-Projekt?
Zur Selbstverständigung einer Demokratie gehört die kontinuierliche Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte. Die aktuelle Debatte, die im Zusammenhang mit den Forderungen des sogenannten „Hauses Hohenzollern“ an die öffentliche Hand geführt wird, stellt in vielerlei Hinsicht nicht zuletzt deshalb einen grundlegenden demokratischen Selbstverständigungsdiskurs dar, weil die großen politischen Umbrüche des 20. Jahrhunderts wie in einem Prisma an diesem Fall verhandelt werden: die Auseinandersetzung der jungen Weimarer Demokratie mit den alten monarchischen Eliten, der Anteil dieser Eliten an der Zerstörung der Demokratie 1933 und die Wahrnehmung und Bewertung dieser Entwicklungen in der Zeit nach 1945 und in der Gegenwart. Die Revolution von 1918 führte zu der erzwungenen Abdankung Wilhelms II. als König von Preußen und Deutscher Kaiser und bedeutete damit das Ende der Monarchie. Damit stand die junge Republik vor der schwierigen Aufgabe, das ehemalige monarchische Eigentum in Privatvermögen der ehemaligen Herrscherfamilie und Staatsvermögen des neuen demokratischen Gemeinwesens aufzuteilen. Während in Österreich das Vermögen der Habsburger größtenteils zugunsten der Kriegsopfer enteignet wurde, behandelte man in Deutschland die Vermögensauseinandersetzung nicht als politische, sondern als rechtliche Frage. Für die ehemalige preußische Herrscherfamilie wurde im Jahr 1926 nach langen Verhandlungen ein entsprechender Teilungsvertrag mit dem preußischen Staat geschlossen. Aus Gründen, die der Öffentlichkeit nicht näher bekannt sind, ist dieser Vertrag heute wieder Gegenstand von Nachverhandlungen zwischen Georg Friedrich Prinz von Preußen, dem Ururenkel des letzten deutschen Kaisers, und der Bundesrepublik Deutschland, und den Ländern Berlin und Brandenburg. Damit wird ein eigentlich abgeschlossenes Kapitel der Geschichte heute wieder neu aufgerollt.
Eine Vielzahl von Objekten, die mit dem Vertrag von 1926 Wilhelm II. und seiner Familie vom Staat überlassen wurde, befand sich 1945 auf dem Gebiet der späteren DDR. Und hier begegnet die Vermögensauseinandersetzung mit dem ehemaligen Herrscherhaus dem nächsten historischen Schlaglicht des 20. Jahrhunderts. Denn ein Teil der Vermögensgegenstände, die mittlerweile im Wege der Erbfolge auf den ehemaligen Kronprinzen Wilhelm Prinz von Preußen übergegangen waren, wurden im Rahmen der sogenannten Bodenreform von der sowjetischen Militäradministration enteignet. Das Vermögen geriet daher im Rahmen der Wiedervereinigung in das Zentrum politischer und rechtlicher Auseinandersetzungen darüber, wie mit diesen Enteignungen der Jahre 1945-49 im geeinten Deutschland umgegangen werden sollte. Der Gesetzgeber entschied sich dabei dafür, die Bodenreform der sowjetischen Besatzungsmacht – anders als die späteren Enteignungen in der DDR – nicht rückgängig zu machen. Allerdings schuf er im Jahr 1994 für die seinerzeit Enteigneten bzw. deren Erben einen Anspruch auf finanzielle Entschädigung. Der Gesetzgeber verschränkte diesen Anspruch aber wiederum mit einer weiteren wesentlichen Frage der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Denn der Anspruch ist für diejenigen Enteigneten ausgeschlossen, die dem Nationalsozialismus oder dem Kommunismus erheblichen Vorschub geleistet haben. Als Louis Ferdinand Prinz von Preußen, zweitältester Sohn und Erbe des ehemaligen Kronprinzen, in den 1990er Jahren seine Ansprüche geltend machte, wurde damit auch die Frage juristisch relevant, welche Rolle sein Vater beim Aufstieg und der Machtübernahme des Nationalsozialismus gespielt hatte.
Georg Friedrich Prinz von Preußen als Erbe Louis Ferdinands verfolgt diese Ansprüche heute weiter. Die juristische Auseinandersetzung läuft. Zugleich gibt es seit 2014 Verhandlungen zwischen Georg Friedrich von Preußen und den Regierungen des Bundes sowie der Länder Berlin und Brandenburg, die sich sowohl um die 1926 entschiedenen Vermögensfragen als auch um den Entschädigungsanspruch drehen.
Gleichzeitig hat sich der Ururenkel aber entschlossen, noch weitergehende rechtliche Auseinandersetzungen anzustrengen, die die wissenschaftliche und journalistische Darstellung der Familie und ihres Agierens im öffentlichen Raum betreffen. Diese Vorgehensweise scheint in gewisser Weise exemplarisch für zahlreiche Auseinandersetzungen der Gegenwart zu stehen. Sie leitet damit als ein aktuelles Phänomen direkt vom 20. ins 21. Jahrhundert über. Seit 2015, verstärkt aber seit August 2019 geht Georg Friedrich Prinz von Preußen in zahlreichen äußerungsrechtlichen Streitigkeiten gegen Journalisten, Publizisten, Medien, Politiker und Wissenschaftler vor, um ihnen die Verbreitung von Äußerungen zu untersagen, die er vielfach „Lügen“ nennt. Was hat es damit auf sich? Es geht hier nicht zuletzt um die Frage, wie – also in welcher Form – können und wollen wir uns als Gesellschaft über strittige Fragen verständigen? Besteht hier die Gefahr, so wurde in den letzten Monaten verschiedentlich gefragt, dass dieses Vorgehen die öffentliche Debatte und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Geschichte behindert oder beschränkt, weil den Akteurinnen und Akteuren juristische Folgen drohen?
Dieser geschichtsbezogene demokratische Selbstverständigungsdiskurs braucht gleichermaßen eine öffentliche Diskussion wie eine wissenschaftliche Vertiefung offener Fragen. Diese Plattform soll für die zentrale Frage der Folgen eines solchen juristischen Vorgehens deshalb zunächst einen Überblick über Umfang wie inhaltlichen Zuschnitt der äußerungsrechtlichen Streitigkeiten schaffen und so Transparenz in den öffentlichen Diskurs bringen. Damit wird diese Sammlung zugleich zu einer Dokumentation eines zeitgenössischen Kommunikationsprozesses, der sonst nur sehr schwer nachvollziehbar wäre. Konzipiert ist das Wiki deshalb nicht zuletzt als wissenschaftliche Quellensammlung, die sowohl für die historische Forschung der Zeitgeschichte als auch in besonderem Maße für die Rechtswissenschaft Material bietet. Die Informationen sind eingebettet in einen Überblick über die juristischen und historischen Hintergründe der Auseinandersetzung.
Juni 2021 Eva Schlotheuber
Vorsitzende des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V.
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